Verguckt – Das lächerliche Paarungsverhalten des Homo Sapiens

Ich mag Kurzfilme. Und als wäre das nicht schon genug, kommt noch hinzu, dass ich in letzter Zeit ganz besonders auf Schnulzen stehe. Ja, genau diese unfassbar dämlichen Streifen, die eigentlich alle gleich sind, es aber trotzdem schaffen, einen am Ende zum Heulen zu bringen (will mir mein Unterbewusstsein da etwas sagen?) …

Als ich vor einiger Zeit sah, dass in meinem örtlichen Independent-Kino ein Kurzfilmeabend zum Thema Liebe auf dem Programm stand, war ich natürlich sofort angefixt. Erst bei genauerem Hinsehen sah ich die Beschreibung „Kino für Singles“, welche da den Flyer zierte. Eigentlich halte ich nicht viel von solchen erzwungenen Veranstaltungen, da abgesehen von der Verzweiflung, die da mitfliegt, ein wirklich zufälliges Zusammenfinden meistens einen besseren Regisseur hat. Und das wollen wir ja schließlich alle haben, so ein filmtaugliches Leben.

Dennoch setzte es sich mir in den Kopf hinzugehen; ich kaufte mir eine Karte. Für einen Single. Kino. Abend. Es hätte sich wahrscheinlich wie ein Tiefpunkt anfühlen sollen, doch ich war viel zu neugierig, um die Begebenheit als solchen zu empfinden.

Diese Neugierde stellte sich im Nachhinein als begründet heraus, denn der Abend war nicht nur perfekt für allgemeine soziologische Studien, sondern bot auch ein breites Angebot an persönlichen Erkenntnissen und eine Menge  Situationskomik.

Dort angekommen schlenderte ich durch die Reihen, um einen möglichst isolierten Platz zu finden. Mein Plan ging nicht auf, denn schon bald setzte sich, trotz meines Sitzes im Abseits, ein mittzwanziger Hipster auf den übernächsten Platz von mir. Natürlich blieb die Frage, ob er sich setzen dürfe, nicht aus. Anstatt zu sagen, dass dies nicht nur ein öffentliches Kino mit freier Platzwahl und dazu noch eine Single-Veranstaltung sei, entgegnete ich mit einem einfachen „Ja“. Um der Situation zu entgehen, verließ ich meinen Platz, und besorgte mir etwas zu trinken. Als ich wiederkam, hatte sich eine junge Frau mit kurzen Haaren neben den Hipster gesetzt. Darüber war ich ganz froh, denn anstatt Smalltalk führen zu müssen, bequatschte diese nun meinen Nachbarn.
Der Moderator sagte die einzelnen Filmtitel an. Ganz beiläufig versuchte er, den Saal zum Flirten anzuregen. Es lachten zwar alle über seine Anspielungen, doch insgeheim, da war ich mir sicher, würden die meisten hoffen, dass es genau so kommt.

Die Filme an sich waren fantastisch: Das Gegenteil von kitschig und ihr Geld in jeder Hinsicht wert. Nach dem Abspann folgte ein Gratisdrink an der Bar, den ich mir trotz der Gefahr angesprochen zu werden nicht entgehen lassen konnte. Den Sekt trank ich schließlich in einem Zug aus, da ich das Gebäude schnellstmöglich verlassen wollte. Die Situation kam mir plötzlich absurd vor. All diese Menschen, die versuchten, miteinander ins Gespräch zu kommen, die vielen Teelichter und die schicken Sitzecken, das wurde mir einfach zu viel. Ich stellte mir die Menschen als Töpfe vor, die irgendwelchen Deckeln hinterherliefen. Auf meinem angenehm ruhigen Rückweg musste ich bei dieser Vorstellung lachen.

Dort zu bleiben wäre nicht mehr durch meine Recherchen zu rechtfertigen gewesen. Die Selbsterniedrigung, die dort teilweise betrieben wurde, hatte bereits ausgereicht, um meinen Kopf zu füllen. Auf dem weiteren Weg wurde mir aber irgendwann klar, dass dieses Prinzip der Menschen, aktiv nach Zweisamkeit zu streben, gar nicht unbedingt so lächerlich ist. Denn auch wenn die Suche nach dem fehlenden Deckel manchmal erniedrigend wirkt, irgendwo ist sie das Normalste der Welt.
Natürlich ist die Vorstellung sehr sehr unschön, wenn in fünfzehn Jahren viele Kinder herausfinden müssen, dass Tinder der wahre Grund ihrer Zeugung war. Doch nicht jeder hat das Glück, seinem zukünftigen Partner beim Einkaufen über den Weg zu laufen und später zu behaupten, es wäre Liebe auf den ersten Blick gewesen.

Egal wie lächerlich es wirkt, auf der Suche zu sein, am Ende ist es einem doch lieber in seinen gebrechlichen Tagen auf ein paar Lachnummern zu schauen, als alleine und ohne Sinn für jeden Humor vor sich hin zu vegetieren.

Für Jagdfaulheit und Stolz bekommt man schlussendlich keine Medaille, doch wenn man sich wirklich lächerlich machen kann und sich selbst nicht zu ernst nimmt, dann besteht die Möglichkeit eines Hauptgewinns.

Und die Moral von der Geschichte?

Traue dich lieber auf ihn oder sie zuzugehen, anstatt zu tindern (denke an die armen Kinder). Und schaue dir Kurzfilme an (vielleicht nicht unbedingt im Single-Kino). Kurzfilme machen den Alltag ein kleines bisschen schöner, nein, Filme im allgemeinen. Oder Serien. Oder… Nein, das reicht, Ciao.