Vor ein paar Tagen habe ich noch über Hamstereinkäufe und Corona-Panik gelacht. Ich war in meinem Film, der aus Arbeit, Kaffee trinken mit Freunden und der nächsten Abendveranstaltung bestand. Ein Film, der sich zwar immer wiederholt, aber eben immer ein bisschen anders. Gerade so, dass wir es nicht bemerken, nichts dagegen unternehmen und vor allem – nicht hinterfragen.
Die Medien übertreiben, dachte ich. Das wird sich nicht drastisch für uns auswirken, dachte ich. Unsere gewohnte Realität nicht einschränken…
Jetzt sitzen wir zu Hause. Einige von uns mit einer Kündigung im Briefkasten, viele von uns mit Existenzängsten und alle ohne den Hauch einer Ahnung, wie sich die Dinge entwickeln werden und wann dieser „vorrübergehende“ Zustand vorbei sein wird.
Draußen ist alles ruhig. Drinnen ist alles ruhig. Zu ruhig.
Es fühlt sich an, als sei die Welt auf Pause gedrückt worden. Von heute auf morgen leben wir nur noch virtuell. Die Tagesschau ist das Highlight des Abends, obwohl ich früher kaum die Nachrichten verfolgt habe.
Wie werden die nächsten Wochen aussehen? Werde ich den lieben langen Tag durchs Internet surfen, Bücher lesen, schlafen und den Bäumen in meinem Hinterhof beim Wachsen zuschauen?
Es ist die erste Woche, in der die Devise Social Distancing unser aller Leben prägt, und ich werde verrückt. Beginne damit meinen Exfreunden zu schreiben, auf und ab zu laufen und gegen die Panik anzukämpfen. Mein Zimmer ist aufgeräumt, die Dusche geschrubbt und die Gläser poliert. Was nun?
Ich kann mich den Hoffnungsstiftern nicht ganz anschließen, die versuchen uns mit den positiven Seiten der Quarantäne zu ermutigen. Nutzt die Zeit, sagen sie, werdet kreativ, schreiben sie – Doch da ist dieser Nebeneffekt des Virus, der alle betrifft, die gesund auf ihren Sofas sitzen.
Eine dunkle Wolke der Ungewissheit schwebt über uns. Über jedem von uns. So etwas hat es noch nie gegeben, oder wie Angie sagt; wir stehen vor der größten Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg.
Wir sind eine Generation, die mit Luxusproblemen aufgewachsen ist. Wir kennen keine gesellschaftlichen Krisen, die tatsächlich unser Leben beeinflusst, geschweige denn beeinschränkt haben. Was wir kennen, ist eine äußere Stabilität, die uns immer die Möglichkeit gab, uns ganz mit uns selbst zu beschäftigen, zu Egoisten zu werden.
Ich habe keine Angst vor dem Virus, der sich in meiner Timeline, meinen Gesprächen und meinen Gedanken verbreitet hat.
Für mich ist er nicht bedrohlich. Ich habe Angst vor den gesellschaftlichen Folgen dieser Pandemie. Werden unsere Kultur, unsere Wirtschaft und unsere Demokratie das heil überstehen? Werden wir in acht Wochen wieder back to normal gehen können und alle zusammen den Sommerbeginn feiern oder wird es zu einer Disruption unserer bisherigen Normen kommen?
Die Gesellschaft muss sich jetzt fragen, was sie zu einer macht, wenn alles stagniert, wenn Fließbänder stillstehen, Theatersäle leer sind und Bildungseinrichtung geschlossen haben.
Außerdem ist da noch die Frage, wer ich eigentlich bin, abseits meines Hamsterrades.
Wenn der Film zu Ende ist und der Abspann gelaufen, was fühle, sehe, denke ich dann?
Wofür lebe ich, wenn nicht für den Film, der aus Arbeit, Kaffee trinken mit Freunden und der nächsten Abendveranstaltung besteht? Wer bin ich, wenn nicht das, was ich kaufe, wen ich treffe und was ich mache?
Es gibt keine Blaupause zur Beantwortung dieser Fragen; gerade deshalb müssen wir sie stellen.
Denn eines haben wir zu dieser Nullstunde gemeinsam: Genug Zeit, um uns Gedanken über mögliche Antworten zu machen.