Persönlichkeitskonsum

Samstagabend.
Ich sehe euch
aus dem Fenster
doch ihr mich nicht.

Bin allein,
eingebettet im Kokon,
ein Raum indem
alles aussieht wie ich
alles riecht wie ich
alles klingt wie ich

Niemand denkt an dich,
wenn du dort bleibst.
Wenn doch, stell dich stumm.
Geh nicht runter,
du wirst ihn vermissen,
deinen Kokon.

Nur heute Abend
konsumiert mich niemand.
Morgen ist ein neuer Tag;
morgen seht ihr mich.

Rosé

Ein Glas Rosé
Am Rand die kleinen
Wassertropfen
Und das knackende Eis
Stellt keine Fragen

Auf knittrigem Laken
Steht es mit nur einem Bein
Das Glas Rosé
Steht fester
Als ich mit Zweien

 

Der obligatorische Neujahrstext

Handynotiz aus der Nacht des 01.01.2018:

Der unsichtbare Zeiger tickt
Und ich liege in deinem festen Griff
Der unsichtbare Zeiger sagt mir
Es wäre Zeit das zu spüren
Was der Bass des Liedes denunziert;
Die pathologischen Gedanken fühlen,
Ein Gruß an die Anomalie
Ein freundliches Gespräch
Entgegen der morbiden
Realität

Mein unbewusster Wunsch für das neue Jahr war die letzten 18 Jahre eigentlich immer der Gleiche: ein Leben wie im Roman, eine richtig runde Sache mit Drama, Wendepunkt und Katharsis zu durchleben.

Bei Tageslicht betrachtet, ist das kompletter Schwachsinn. Vorsätze sind kompletter Schwachsinn. Wortwörtlich, denn sie sind schwach. Was einen weiter bringt, sind Entscheidungen – und die kann man das ganze Jahr über treffen, sogar umsetzen. Klingt praktisch oder nicht?

In Wirklichkeit ist es auch unmöglich, ein Leben wie aus einer frei erfundenen Geschichte zu haben. Anfang, Spannungsbogen, Ende. Punkt.
Wie soll das gehen, wenn nicht einmal klar ist, ob der Tod das Ende, der Anfang oder eine schlichte Zwischenstation jedes Lebens ist?
Ein gutes Buch zu beenden ist Fluch und Segen zugleich. Man ist hin und weg, auf dieses Schmuckstück der Literatur gekommen zu sein, doch todunglücklich, dass es nicht mehr weiter geht.

Werfe ich einen Blick auf meinen Kalender, wird klar, dass ich meine Gedanken häufig sehr stark auf die Zukunft fokussiere. Oder besser gesagt, auf die nächsten großen Ereignisse. Ob es das besondere Treffen, der nächste Kurztrip oder einfach nur die Party am Samstag ist, in meinem Kopf entsteht ein Mandala aus Plänen, das
in langen Tagträumen ausgemalt wird.

Auch wenn es heißt, dass Vorfreude die beste Freude sei, engt es das Glück ein, sich auf diese zu beschränken. Ein stetiges „in die Zukunft schauen“ ist, als würde man ständig auf den Plot-Twist einer Geschichte warten. Dass er kommt, ist vollkommen klar. Doch das wie, wo und wann ist dann am Ende nie so, wie man es sich vorher ausgemalt hat.

Statt mir also einen Vorsatz zu machen, den ich Anfang März längst vergessen habe, treffe ich die Entscheidung, mein Augenmerk hin und wieder auf die kleinen Freuden des Alltags zu richten. Wahrscheinlich werde ich weiterhin gedankliche Mandalas ausmalen. Die Hauptsache ist, beim Aufwachen aus den Tagträumen zu realisieren, dass auch in der Zeit von Montag bis Freitag der ein oder andere unerwartete Plot-Twist steckt.

In diesem Sinne, frohes Neues!